Der kleine Ort Atlin, knapp 200 Kilometer südlich der Yukon-Hauptstadt Whitehorse gelegen, wirkt heute auf liebenswert romantische Art verschlafen. Der Grund dafür ist vermutlich, dass Atlin am Ende einer etwa 100 km langen Sackgasse liegt, die das Städtchen mit dem berühmten Alaska Highway verbindet. Zum Glück, denn so blieb Atlin, das zu Zeiten des Klondike-Goldrausches eine bedeutende Ansiedelung von Glücksrittern aus aller Herren Länder darstellte, der Durchgangsverkehr mit dem einher gehenden Trubel erspart. Ein großer Unterschied also zu anderen, einstigen Goldgräberstädten wie zum Beispiel Dawson City.
Flintenschießen unter Bären
Umso erstaunlicher ist, dass ausgerechnet hier ein umfangreich ausgestatteter Flintenschießstand entstanden ist. Ähnlich professionelle Schießanlagen findet man sonst erst 1500 Kilometer weiter südlich. Zu verdanken ist dies einigen sehr engagierten Mitgliedern des Atlin Rod and Gun Clubs, die sich mit viel Enthusiasmus und Eigenleistung dem Flintenschießen verschrieben haben. Einem von ihnen, dem gebürtigem Deutschen und ehemaligem Outfitter Harro Obst, haben wir auch unseren Besuch zu verdanken.
Bereits am zweiten Tag unserer Reise fanden wir uns auf dieser Schießanlage im Kreise einer kleinen Gruppe begeisterter Flintenschützen wieder. Unter ihnen auch der in Kanada weithin bekannte Gastronom Joe aus Calgary, den der gute Ruf des Atliner Flintenstandes aus dem weit entfernten Alberta hierher gelockt hatte. Seine und auch Harros Blaser F16 Flinte stießen bei den anderen Schützen natürlich auf besonderes Interesse. In einer Region Kanadas, in der Flinten meist nur als einfaches Mittel zum Zweck betrachtet werden, ist es keine Selbstverständlichkeit, eine deutsche Spitzenflinte ausprobieren zu können. Nicht zuletzt dank Harros hilfreicher Tipps und Ratschläge für sicheres Treffen sprachen die guten Ergebnisse schließlich ganz für sich.
Uns wurde der besondere Charme des Schießgeländes einige Zeit später noch auf ganz andere, besonders eindrucksvolle Weise bewusst. Beim Eintreffen früh morgens auf der Wurfscheibenanlage tummelte sich ein starker Schwarzbär seelenruhig vor uns im Gras. Er hatte es überhaupt nicht eilig, sich aus der Gefahrenzone zu trollen. Zwei Tage später, wir waren gerade dabei, Zielscheiben fürs Kugelschießen aufzustellen, sahen wir ihn wieder am Rande der Büchsenschießbahn. Diesmal war er in Begleitung einer braunen Schwarzbärin, weshalb er an uns nicht das geringste Interesse zeigte.
Unvergesslich wird uns in jedem Fall die gesamte, spektakuläre Szenerie der Landschaft rings um Atlin bleiben. Bei ausgedehnten Bootstouren auf dem 145 Kilometer langen Atlin Lake, in dem sich mit Teresa Island die zweitgrößte Süßwasserinsel der Welt befindet, konnten wir diese Region Kanadas aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln genießen. In diesen Momenten ist uns klar geworden, dass wir wieder hierher kommen werden. Zum Jagen oder Fischen, in jedem Fall aber mit der Flinte zum Schießen.