„Dann hab’ ich das einfach mal gemacht”, erzählt Micha Reichert mit funkelnden Augen. Und eine Stunde später präsentierte der damals Vierzehnjährige seinen Eltern seinen ersten Holzpilz. Kaum größer als eine Flasche Wasser, aus einem Eichenstammabschnitt herausgeschnitzt. Und zwar mit einer Motorsäge. Auf die Idee gekommen war der Förstersohn während der Jagdscheinausbildung. Die hatte er gerade begonnen und im Kurs einen Mitstreiter kennengelernt, der bereits professionell Skulpturen mit der Motorsäge schnitzte. „Ich war so sehr davon fasziniert, dass ich das auch machen wollte. Also hab ich Vaters Motorsäge geschnappt und einfach mal damit angefangen.

Der Macher-Typ
„Jagen und Sägen waren von da ab meine Passion”, erinnert sich der inzwischen 25-jährige Kraichgauer. Die ersten geschnitzten Pilze und Adler hat er auf Bauern- und Weihnachtsmärkten verkauft. Vom Erlös kaufte sich der Jungkünstler seine erste eigene Motorsäge. „In dem Alter hatte ich noch nicht viel Erfahrung, und so kaufte ich dank meines jugendlichen Halbwissens eine Hobbysäge, an der ich aber nicht lange Freude hatte. Ich habe dann tatsächlich in meiner eigenen Währung gerechnet, wie viele Adler ich noch schnitzen und verkaufen muss, um mir eine bessere leisten zu können.“ Wie viele es waren, weiß Micha heute nicht mehr. Aber das Handwerkszeug ist die wichtigste Grundlage, um ein solides Ergebnis zu erzielen, das ist wie bei der Jagd”, sagt Micha. Deshalb vertraut er beim Schnitzen sowie bei seiner Jagdaustattung nur auf professionelle Ausrüstung. „So hat er das die gesamten letzten elf Jahre gemacht”, bestätigt seine Mutter. „Wenn er sich etwas anschaffen wollte, dann musste es etwas taugen. Wenn er sich Dinge noch nicht leisten konnte, hat er solange Figuren gesägt und verkauft, bis er den Betrag zusammen hatte.” „Für einen normalen Ferienjob hätte ich wegen der Schnitzerei und der Jagd auch gar keine Zeit gehabt”, erzählt Micha mit einem verschmitzten Lächeln. Absolut stolz ist er momentan auf seinen neuen „Tour-Bus”, den er sich logischerweise ebenfalls mit der Schnitzerei finanziert hat.
Inzwischen macht der passionierte Hundeführer eine zweite Ausbildung zum zoologischen Präparator. Damit vereint er seine kreativen, gestalterischen Neigungen perfekt. Die Einblicke, die er dadurch in Anatomie und Ausdrucksweisen der Tiere bekommt, setzt er wiederum beim Schnitzen um. 2016 – Micha hatte gerade seine Lehre zum Berufsjäger abgeschlossen – wurde die deutsche Motorsägenschnitzer-Szene auf den Jungspund aufmerksam. Er meldete sich zu einem inoffiziellen Stelldichein der „Speedcarver“, wie sich die Motorsägenkünstler selbst bezeichnen, bei Mainz an. Das war sein Einstieg in diese Szene. Danach folgte eine Einladung nach Haltern bei Dortmund. „Dort fand die Qualifikation für die Deutsche Meisterschaft im Speedcarving statt”, erinnert sich Micha. Selbstverständlich ließ er sich das nicht entgehen.
Beim Speedcarving müssen in jeweils 45 Minuten 2 Skulpturen gesägt werden. Am Ende werden die Skulpturen unter dem Publikum versteigert. Die Speedcarver, deren Figuren die höchsten Gebote bekommen, qualifizieren sich für die Deutsche Meisterschaft. „Leider habe ich mich damals noch nicht qualifizieren können” gibt Micha zu. Aber gelohnt hatte es sich trotzdem. Robbin, ein kanadischer Carver, hatte einen Narren an dem jungen „Macher” gefressen und ihn prompt in seine Heimat eingeladen. Auf einem internationalen Event mit 35 Schnitzern aus aller Herren Länder durfte Micha sein Talent unter Beweis stellen. „Carve from the heart – schnitze aus deinem Herzen”, hatte ihn Robbin motiviert. „Das hab ich einfach gemacht”, freut sich Micha. Nach 5 Tagen Schnitzen, Sägen, Schleifen war ein lebensgroßer springender Kojote mit auffliegenden Enten entstanden. Diese außergewöhnliche Skulptur sicherte Micha den 5. Platz bei diesem Event. Im Juli 2018 klappte es dann endlich: Zum ersten Mal ging es für Micha auf die Deutsche Meisterschaft.
Mittlerweile ist Micha permanent unterwegs auf Messen und Events zum Schausägen oder auf Wettbewerben. Und auch die Auftragsbücher sind voll. Etwa 70 bis 100 Skulpturen fertigt er pro Jahr, ob als Auftragsarbeit oder einfach aus eigenem Antrieb. Und alles in seiner Freizeit. Bleibt da überhaupt noch Zeit für die Jagd? „Die muss man sich einfach nehmen”, weiß der geschickte Jungunternehmer, der auch noch Mitpächter eines Jagdrevieres ist. Keine Frage, dass er dort fast alle Revierarbeiten alleine oder mit seinen Freunden macht. Hochsitzbau, Wildäcker, Pirschwege.
„Carve from the heart –
das hab ich dann einfach gemacht!”
Vor allem die Saujagd hat es Micha angetan. Ganz gleich ob auf Drückjagden, bei denen er meistens mit seiner Brandlhündin „Bonni” als Hundefürer loszieht, oder vom Ansitz aus. Auffallend aber ist, dass in Michas Skulpturenportfolio keine einzige Sau auftaucht. „Die schnitze ich nicht sehr gerne”, sagt er überzeugend ehrlich, „weil ich meist mit dem Ergebnis nicht zufrieden bin. Die kann ich viel besser mit meiner Mauser jagen und wesentlich besser präparieren als schnitzen!”